Demenz unter 65 Jahren – eine besondere Herausforderung

Demenzerkrankungen werden häufig als „Erkrankungen des höheren Alters“ wahrgenommen. Und auch wenn es zutrifft, dass die Wahrscheinlichkeit zu erkranken mit zunehmendem Lebensalter steigt, gibt es auch jüngere Menschen, die mit einer Demenzerkrankungen leben müssen. Die Alzheimer-Gesellschaft schätzt, dass in Deutschland etwa 100 000 Menschen von einer präsenilen Demenz betroffen sind –  also einer Demenz, die vor dem 65. Lebensjahr ihren Anfang nimmt[1].

In unseren Beratungsgesprächen erfahren wir immer wieder von der besonderen Not, die diese Erkrankung gerade bei jüngeren Menschen und ihren Familien mit sich bringt. Häufig arbeiten die Betroffenen zum Zeitpunkt der Diagnose noch und sind in ihrem beruflichen Alltag mit  besonderen Hürden konfrontiert, die bis zur Frühverrentung oder auch Kündigung führen können.  In einigen Fällen leben noch minderjährige Kinder im Haushalt, heranwachsende Kinder befinden sich in der Ausbildung und/oder das Wohneigentum ist noch nicht abbezahlt. Größere finanzielle Verpflichtungen prägen somit stärker als bei den meisten älteren Erkrankten den Alltag und verstärken die Belastungen und Sorgen. Auch die biografische Bewältigung der Erkrankung fällt umso schwerer, je jünger die betroffene Person ist. Die Erkrankten leiden unter dem Verlust ihrer häufig an Leistung, Erfolg und Rollenerwartungen orientierten Alltagsstruktur – beruflich wie privat. Hinzu kommt, dass jüngere Menschen mit den vorherrschenden negativen gesellschaftlichen Stereotypen der Demenz in einem wesentlich größeren Maße zu kämpfen haben als ältere Menschen in ähnlicher Lage: Die Abnahme der kognitiven Leistungsfähigkeit im Alter wird eher als normaler physiologischer Prozess verstanden, während jüngere Erkrankte kaum mit Akzeptanz der Veränderungen im Rahmen ihrer demenziellen Erkrankung rechnen können.

Diese und weitere Gründe sprechen dafür, Menschen mit präseniler Demenz und ihrem Umfeld so früh wie möglich Beratung und Begleitung anzubieten. Darüber hinaus kann ein früher Diagnosezeitpunkt für die Betroffenen ein guter Einstiegspunkt sein, um einerseits ihre Ängste zu thematisieren und um andererseits die Akzeptanz zukünftiger Hilfsangebote zu erleichtern.

Wir von der Hans und Ilse Breuer-Stiftung bieten im StattHaus in Offenbach genau diese Beratung und Begleitung an. Hierfür haben wir, gefördert vom Hessischen Ministerium für Familie, Senioren, Sport, Gesundheit und Pflege sowie den Pflegekassen, 2021 das Projekt „MyCareNet“ ins Leben gerufen, in dessen Rahmen wir die Hessische Anlaufstelle für präsenile Demenz  entwickelt haben, wo relevante Informationen, Erfahrungen und Netzwerkwissen gebündelt werden. Ziel war und ist es, Menschen mit präseniler Demenz und ihr Umfeld entlang ihres Krankheitsverlaufs empathisch und professionell zu begleiten und ihre Lebensqualität zu verbessern. Dazu gehören die Betreuung von Betroffenen im StattHaus, die an allen Werktagen bei uns möglich ist, ebenso wie die individuellen Beratungen der Erkrankten und/oder ihrer Familie, auch über einen längeren Zeitraum hinweg – und immer die persönlichen Fragen und Herausforderungen berücksichtigend.

Im Rahmen der Hessischen Anlaufstelle für präsenile Demenz fanden auch bereits zwei Schulungen mit jeweils unterschiedlicher Zielgruppe statt. Die sogenannte Multiplikatoren-Schulung richtete sich 2023 an Personen, die im beruflichen Kontext in Kontakt mit Menschen mit präseniler Demenz und ihren Angehörigen stehen.  Um möglichst viele interessierte Fachkräfte anzusprechen, wurde die Schulung als Online-Fachtag durchgeführt. Insgesamt 73 Anmeldungen zeigten, dass der Bedarf an Informationen und Austausch in Hessen groß war und ist. Neben Aufklärung und Informationsvermittlung wurden konkrete Handlungsmöglichkeiten anhand eines Baukastensystems aufgezeigt, um regionale Unterstützungs- und Hilfsnetzwerke im nahen Umfeld aufzubauen und somit betroffenen Menschen und ihren Bezugspersonen kompetent begegnen zu können.

Anfang 2025 richteten wir uns mit einer Online-Schulung ganz explizit an die Angehörigen von Menschen mit präseniler Demenz. Sie konnten an sieben Abenden mit jeweils einem spezifischen Schwerpunkt Informationen aus erster Hand erhalten, erhielten immer wieder Handlungsimpulse aufgezeigt und hatten die Möglichkeit, in der Gruppe nach Lösungen zu suchen. Gleichzeitig wurde ein Raum für einen verständnisvollen Austausch auf Augenhöhe geschaffen. Besonders eindrücklich waren die Schilderungen von Familienangehörigen, die von der Doppelbelastung berichteten, einer Teil- oder Vollzeitbeschäftigung nachzugehen und gleichzeitig den Bedürfnissen der zunehmend pflegebedürftigeren Menschen mit Demenz gerecht zu werden. Viele der Angehörigen suchen häufig verzweifelt nach Entlastungsmöglichkeiten, finden jedoch nur selten passende Angebote. Ebenso wurde häufig die Trauer der an Demenz erkrankten Menschen über den Verlust ihrer eigenen Identität thematisiert und wie dieser Trauer begegnet werden kann. Die Rückmeldungen zu dieser Schulung waren so positiv, dass wir diese und ähnliche Schulungen künftig erneut durchführen wollen.

Sie sind selbst an einer frühen Demenz erkrankt, begleiten einen Menschen mit präseniler Demenz oder sind aus beruflichen Gründen an weiteren Informationen interessiert? Bitte nehmen Sie unverbindlich Kontakt zu uns auf. Wir freuen uns auf Sie.

[1] Quelle: https://www.deutsche-alzheimer.de/artikel/deutsche-alzheimer-gesellschaft-stellt-neue-zahlen-zur-demenz-vor-deutlich-mehr-erkrankte-unter-65-jahren-als-bisher-angenommen (28.1.2025)

 

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