Pflegende Partner, pflegende Kinder – Gemeinsamkeiten und Unterschiede

Teil 1: Pflegende Kinder

Zwei Mal im Jahr bieten wir, in Kooperation mit der Barmer Ersatzkasse, im Demenzzentrum StattHaus Offenbach ein mehrteiliges Seminar an, das sich schwerpunktmäßig an Angehörige von Menschen mit Demenz richtet. Es dient dazu, Wissen und Kompetenzen zu vermitteln sowie Austausch untereinander zu ermöglichen. Dort stellen wir den Teilnehmenden gerne die Frage, in welchem Verhältnis sie zu der erkrankten Person stehen, wegen der sie an der kostenfreien Seminarreihe teilnehmen.  Zum einen sind es erwachsene Kinder, die sich Sorgen um ihre erkrankten oder überforderten Eltern machen, zum anderen Lebenspartner, die den Menschen mit Demenz begleiten und in vielen Fällen auch körperlich pflegen.

Diese beiden Gruppen von begleitenden Angehörigen vereint die Sorge um den erkrankten Menschen und der Wunsch, helfen zu wollen. Und allen ist gemeinsam, dass sie oft weit über ihre eigene Belastungsgrenze hinausgehen. Aber es gibt auch, gerade bei den anzutreffenden An- und Überforderungen, einige Unterschiede, die uns immer wieder auffallen, und die ich gerne in zwei aufeinanderfolgenden Blogbeiträgen vorstellen möchte.

Pflegende, erwachsene Kinder sind meistens zwischen 40 und 60 Jahre alt und werden häufig als sogenannte „Sandwich-Generation“ bezeichnet – „eingeklemmt“ zwischen den eigenen persönlichen und beruflichen Verpflichtungen, den Kosten für ihre Kinder oft bis weit ins Studium hinein und der Generation ihrer Eltern über die Abgaben an die Rentenversicherung.

Und plötzlich, scheinbar überraschend, beginnen sich die Eltern selbst zu verändern, sind nun auf Hilfe angewiesen und verstärken das „Sandwich-Gefühl“. Viele betroffene Angehörige berichten uns, dass dieser Moment für sie ein großer Einschnitt war, häufig eine Art „zweite Abnabelung“ mit einem  auf den Kopf gestellten Rollenverhältnis. In vielen Familien wird nun klar erkennbar, an welchen Stellen vielleicht schon immer Probleme lauerten, wenn unausgesprochene Konflikte plötzlich an die Oberfläche treten. Und immer auch die Frage: Was kann und will ich meinen Eltern geben, welche Hilfe ist machbar, welche nicht? Die Bandbreite an Möglichkeiten und auch an Engagement, die wir da erleben, ist groß. Es gibt Kinder, die weit entfernt leben und dennoch alles versuchen; und es gibt jene, die im selben Ort oder Haus wohnen, dennoch keine tragfeste Beziehung zu ihren Eltern haben und Unterstützung kaum leisten können oder wollen.

Hier steht es aus unserer Sicht niemandem zu, über andere zu urteilen. Wir wissen in der Regel weder etwas über die Biografien, noch über die Ressourcen, Beziehungen oder Kompetenzen der Beteiligten. Vorurteile machen es allen nur noch schwerer, daher sollten wir immer davon ausgehen, dass alle geben, was sie geben können und für ihre Eltern grundsätzlich nur das Beste wollen. Und alle betroffenen Kinder, also die, die bis zur Überforderung helfen, als auch die, die das nicht können oder wollen, sollten vom Hilfesystem und von uns als Gesellschaft Unterstützung erfahren. Die Versorgung von Menschen mit Demenz muss immer gewährleistet sein und darf nicht von individuellen Gegebenheiten abhängig. Auch diese Forderung haben wir uns als Stiftung auf die Fahne geschrieben.

Am Ende dieses Blogeintrags möchte ich auf die bedeutende Möglichkeit eingehen, die erwachsene, sich kümmernde Kinder in den meisten Fällen haben:  Sie können die Tür wieder hinter sich schließen. Meist wohnen sie nicht direkt bei Eltern, sie besuchen und helfen, sie telefonieren, organisieren, ärgern sich, sind überfordert – und haben doch am Abend, am Wochenende den Rückzug, den Gang nach Hause. Als meine eigenen Eltern starben, war ich beide Male bei ihnen, begleitete und pflegte bis in die letzten Tage hinein.  Und es gab häufig die Momente der Überforderung, in denen ich dann das Zimmer verlassen und mit meinem Mann, mit meinen eigenen Kindern wieder Kraft tanken konnte. Welch ungemein wertvolle Quelle!

Im zweiten Teil des Blogs werde ich auf die Gruppe der begleitenden, pflegenden Partner und Partnerinnen eingehen, die meist eben diese gerade beschriebene Möglichkeit nicht haben.

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