Pflegende Partner, pflegende Kinder – Gemeinsamkeiten und Unterschiede

Teil 2: Pflegende Partner

In unseren Beratungen und Seminaren, bei Vorträgen und auch im Rahmen unserer angebotenen Tagesbetreuung erzählen uns sorgende, pflegende Angehörige immer wieder von ihren Aufgaben, ihren Ängsten und häufig auch von der Überlastung, die sie tagtäglich erleben. Manchmal ist es nahezu unglaublich, was Partner und Partnerinnen von Menschen mit Demenz leisten. Da ist der 75jährige, der nahezu nicht schlafen kann, weil seine Frau nachts stündlich nach ihm ruft, seit Jahren.  Und er ist jedes Mal bei ihr. Da pflegt die Ehefrau unter körperlichen Schmerzen ihren Mann, der viel größer und schwerer ist, und erhält nur ein Mal am Tag Unterstützung durch einen Pflegedienst. Und ihr Mann scheint sie nicht mehr zu erkennen und brüllt sie häufig an. Da gilt es, Wut, Scham und Verzweiflung zu ertragen – zu Hause und in der Öffentlichkeit. Freunde haben sich mitunter abgewandt, sind mit der Situation überfordert. Die sorgenden Partner und Partnerinnen sind in den meisten Fällen selbst im fortgeschrittenen Alter, zwischen Mitte 60 und Mitte 80 und haben häufig selbst mit Einschränkungen und Erkrankungen zu kämpfen. Hinzu kommt in den meisten Fällen der sogenannte „chronische Abschied“: Der Mensch mit Demenz verändert sich im Verlauf der Erkrankung auch in seiner Persönlichkeit. Der Lebensgefährte, die Partnerin, die man lange Jahre kannte und liebte, sind mit fortschreitender Krankheit kaum noch wiederzuerkennen. Uns wurde schon unter Tränen erzählt, dass man sich doch so gefreut habe auf die gemeinsamen Jahre, nachdem die Kinder ausgezogen waren. Und auf einmal stellt sich alles auf den Kopf, ist der Partner nicht mehr der Ehemann, sondern hat die Rolle eines Menschen, um den es sich zu kümmern, den es zu umsorgen gilt. So wie damals um die Kinder, doch da gab es gemeinsame Lebensziele, die man zusammen erreichen wollte.

Vielleicht hat ein Paar das Glück, dass erwachsene Kinder bei der Pflege- und Betreuungsarbeit unterstützen – wenn sie denn in der Nähe wohnen. Im letzten Blogbeitrag haben wir vorgestellt, dass unterstützende Kinder meist die Möglichkeit haben, abends wieder nach Hause oder morgens zu ihrer Arbeit zu gehen. Abzuschalten und sich abzulenken, Pausen und Freiräume zu entdecken. Pflegende Partner und Partnerinnen haben diese Möglichkeiten meistens nicht, sondern sind 24 Stunden am Tag mit der Erkrankung und all ihren Herausforderungen konfrontiert. Auch wenn ihr Partner mit Demenz einige Stunden in der Woche eine Tagesbetreuung oder Tagespflege aufsucht und somit etwas Zeit zum Schlafen, Einkaufen oder für andere Dinge gefunden werden kann, so tragen sie dennoch rund um die Uhr die Hauptverantwortung. Es ist unsere Erfahrung nach all den Jahren der Begleitung und Beratung, dass sich Pflegende meist wahnsinnig alleine fühlen angesichts dieser Erkrankung, der ihrem Partner, ihrer Partnerin und ihnen so viele gemeinsame Pläne raubt und so viel Kummer mit sich bringt.

Unserer Meinung nach müsste das Gesundheits- und Pflegesystem gerade dieser Gruppe sorgender Angehöriger, also Partnern von Menschen mit Demenz, die (noch) zu Hause leben, viel stärker zur Seite stehen. Ihr eigener Gesundheitszustand sollte stärker in die Beurteilung der zu erhaltenden Unterstützung, unter Umständen auch des Pflegegrades, einbezogen werden, hier sollte durch den Medizinischen Dienst (MD) eine differenzierte Beurteilung des gesamten Settings erfolgen. Zusätzlich wäre es toll, wenn es eine Art „Kümmerer“ gäbe, analog zu „Mütterpflegerinnen“ , die die Krankenkasse Eltern nach der Geburt eines Kindes finanziert. Diese Kümmerer sollten mehrmals die Woche ins Haus kommen, anpacken, zuhören, die pflegenden Partner von Menschen mit Demenz in ihrer Not nicht alleine lassen. Und auch wir als Gesellschaft sollten – gerade in der Öffentlichkeit – eine Sensibilität für die Bedürfnisse dieser Menschen entwickeln, für ihre Überforderung und ihre Einsamkeit.

In diesem Text standen Menschen mit Demenz und ihre Partner im Mittelpunkt, die in den meisten Fällen schon im Rentenalter sind und im vorigen Beitrag bin ich auf die Probleme bereits erwachsener Kinder von Menschen mit Demenz eingegangen. Es gibt aber auch Menschen, die von der sogenannten „präsenilen Demenz“ betroffen sind, also bereits in jüngeren Jahren an einer Demenz erkranken. Deren Kinder sind dann häufig noch nicht erwachsen, deren Lebenspartner sind von einer Reihe wieder anders gelagerter Problemen betroffen. Hiervon und wie wir als Stiftung besonders dieser Gruppe zur Seite stehen wollen, handelt ein demnächst folgender Beitrag.

 

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