Demenz ist eine Reise, eine Reise der Veränderung. Sie führt die Betroffenen zu lang vergessenen Tagen und auch an neue Grenzen der Angst. Angehörige, Pflegende, ja wir als Gesellschaft sind Mitreisende, die häufig selbst mit scheinbar unüberwindbaren Gebirgen konfrontiert werden. Die Reise wird einige Jahre dauern, sie wird alle Beteiligten viel Kraft kosten, und sie wird nicht mehr an ihren Ausgangsort zurückführen. Immer wieder ist da der Trauerwald, den es zu durchqueren gilt. Immer wieder sind da aber auch Gegenden, die überraschen und Freude bereiten können, wenn sich alle auf neue Situationen einlassen. Und am Ende wird die Reise alles und alle verändern.
Wir von der Hans und Ilse Breuer-Stiftung haben eine Landkarte entworfen – als Symbol dieser Reise, als Sinnbild dafür, was noch vor den Betroffenen liegt. Die Landkarte der Veränderung stellen wir Ihnen gerne als Postkarte oder als Plakat zur Verfügung, ebenso die dazugehörige Broschüre, in der die Städte, Orte, Landschaften und Bauten der Karte näher erläutert werden. Im Folgenden möchte ich mich auf das „Basislager StattHaus“ fokussieren und Ihnen unsere Arbeit dort und deren Reichweite vorstellen.
Im StattHaus begleiten wir Menschen mit Demenz, indem wir sie täglich einige Stunden in kleinen Gruppen betreuen, von Fachkräften mit viel Erfahrung, von ehrenamtlich Engagierten, auch von jungen Menschen, die noch in der Ausbildung sind und häufig bei uns die ersten Erfahrungen mit dieser Erkrankung machen. Wir stellen die Lebensqualität und Lebensfreude unserer Gäste in den Mittelpunkt: Was tut ihnen gerade jetzt, gerade heute gut? Und wir sprechen damit eine spezielle Zielgruppe an: Menschen in einer früheren bis mittleren Phase der Demenz, die meist noch zuhause leben, noch wenig Pflege benötigen und aufgrund der Veränderungen, die sie an sich feststellen, irritiert und häufig auch traurig sind. Unterstützung erfahren durch unsere Betreuung aber auch deren Angehörige, die sich aufopfernd kümmern und irgendwann an die Grenzen dessen stoßen, was sie leisten können.
Wir rüsten die Reisenden durch unsere Beratungen aus, in deren Verlauf wir Informationen rund um die Demenz und den Umgang mit dieser an die Hand geben. Die Veränderungen, die mit Auftreten der Erkrankung erlebt werden, sind häufig schleichend, diffus und alle Lebensbereiche betreffend. Wie kommunizieren wir auf eine wertschätzende, nicht defizitorientierte Weise miteinander? Wie kann mit Ängsten umgegangen werden, mit Wut, mit Hoffnungslosigkeit? Die Möglichkeit, individuelle Situationen in einem geschützten Rahmen offen beschreiben, besprechen und einordnen zu können, ist oft auch der erste Schritt zur Bewältigung dieser Herausforderung.
Wir stehen mit unserer Expertise in Vorträgen, in Workshops und Seminaren zur Seite. So findet zwei Mal im Jahr unser mehrteiliger, kostenfreier Angehörigenkurs statt. Wir gehen mit unserem Wissen aber auch auf Expedition: Gemeinsam mit anderen Akteuren werden Bildungsurlaube sowie Veranstaltungen zum Erfahrungsaustausch durchgeführt. Adressaten hierbei sind sowohl Betroffene, die interessierte Öffentlichkeit als auch Menschen, die beruflich oder ehrenamtlich mit der Erkrankung konfrontiert werden.
Wir sind, um in der Reisesprache zu bleiben, auch „Ausflugsziel“: Mit dem StattHaus-Cafe existiert ein Ort zum Verweilen, Genießen und Kommunizieren. Hier treffen Menschen in offener und gleichzeitig geschützter Atmosphäre aufeinander, Menschen mit und ohne Demenz, jeden Alters und Herkunft. So wird die Erkrankung Normalität und Normalität wird zugleich Teil des Lebens von Menschen mit Demenz.
Und nicht zuletzt sind wir Heimat: Neun Menschen mit Demenz wohnen unter unserem Dach, in einer Wohngemeinschaft, die kein Pflegeheim ist, aber professionelle Pflege und Betreuung sicherstellt, rund um die Uhr und in jeder Phase der Erkrankung. Auch Angehörige und Ehrenamtliche bringen sich ein, entscheiden und gestalten mit. Wir als Stiftung sind Vermieter und stehen bei organisatorischen Fragen zur Verfügung, zugleich beraten wir andere Wohngemeinschaften dieser Art im Rahmen der sogenannten „Hessischen Fachstelle für selbstverwaltete Demenz-Wohngemeinschaften“, deren Träger die Stiftung und deren Sitz das StattHaus ist.
Unsere Projekte zeigen auf, dass wir immer auch selbst auf Reise sind und uns mit gesellschaftlichen Entwicklungen und wissenschaftlichen Ergebnissen auseinandersetzen: Wie können wir Lebensqualität bis zum letzten Tag erhalten? Wie verläuft Diagnostik? Wie können wir unsere Beratung weiter verbessern und wohin entwickeln sich Pflege- und Betreuungsleistungen in der Zukunft? Wie also sieht eine Gesellschaft mit Demenz in 30, 50, 100 Jahren aus und an welchen Stellen können wir sie trotz allem lebenswert mitgestalten? Um in der Reisesprache abzuschließen: Wir im StattHaus wollen als Reisebegleitung und mit unseren Ortskenntnissen zur Seite stehen. Wir sind das Basislager, wir packen mit den Betroffenen das notwendige Rüstzeug und helfen so gut wir können, auch Strapazen und Unvorhergesehenes zu bewältigen. Manchmal sind wir auch Dolmetscher, Vermittler und Brückenbauer. Wichtig ist aber auch: Wir lenken nicht, wir begleiten. Die wichtigsten Personen sind die Betroffenen selbst, ihre Familien, ihre Freunde. Lassen Sie uns gemeinsam aufbrechen.