„Eigentlich müssten meine Eltern hier sitzen“

Sehr oft sitzen erwachsene Kinder eines betroffenen Elternteils in der Beratung und möchten wissen, wie sie den nicht betroffenen Elternteil dazu bringen können, mehr Verständnis, Geduld und eine bessere Kommunikation an den Tag zu legen. Voller negativer Gefühle, mit diversen Ängsten oder Unverständnis stehen sie vor Situationen im elterlichen Haushalt und wünschen sich, dass doch bitte ein fried- und respektvoller Umgang herrschen möge. Stattdessen werden sie Zeuge oder sogar Beteiligte von Szenen, in denen ein Elternteil laut wird, schimpft, sich zurückzieht, jammert, sich immer über die gleichen Dinge beschwert, die Nerven verliert, an seine Belastungsgrenzen kommt, um Hilfe bittet oder schweigend leidet. Für die erwachsenen Kinder ist es meist sehr schwer, dabei zuzusehen und scheinbar ohnmächtig zu sein.

Es gilt zu erkennen, dass eine Demenz die gesamte Familie fordert, das Rollen- und Machtgefüge verändert und auch zu Konflikten führt, die entweder (verborgen) schon immer da waren oder sich neu zeigen. Weil der oder die Betroffene aufgrund der Verletzlichkeit und Verhaltensweisen unter Umständen die bisher geltenden Regeln bricht, müssen alle sich und ihre Art der Kommunikation umstellen. Die Umstellung auf eine völlig andere Kommunikation ist für denjenigen, der als Partner eng an der Seite des Betroffenen lebt, am schwersten. Mitunter jahrzehntelange Abläufe, Routinen und Themen verschwinden immer mehr aus dem Alltag, die engste Bezugsperson muss immer mehr Aufgaben übernehmen, das Anderswerden ertragen und vieles kompensieren. Tief verankerte Beziehungsmuster können scheinbar nicht verändert werden.

Spätestens jetzt wird ersichtlich, dass auch die älter werdenden Eltern „nur“ Menschen mit Grenzen und Schwächen sind. Das zu akzeptieren, fällt häufig schwer. Hinzu kommt die Auseinandersetzung mit der Endlichkeit und der Erkrankung, die unweigerlich voranschreitet. Auch anzuerkennen, dass die Eltern ihren ganz eigenen Weg gehen, der für die Kinder unverständlich sein mag, macht ratlos. In unseren Beratungen versuchen wir dafür zu sensibilisieren, denn es sind oft die eigene Machtlosigkeit, Trauer, unterschiedliche Wertvorstellungen und Persönlichkeiten, schlechtes Gewissen, das Gefühl der eigenen Unzulänglichkeit, die im tiefen Inneren rumoren.

Hier können folgende Fragen helfen:

Welche Gefühle habe ich beim Anblick meiner Eltern (in bestimmten Situationen)? Mitleid, Ärger, Wut, Scham, Eifersucht, Frustration, aber auch Freude, Liebe, Verständnis, echte Lust zu helfen ohne zu bewerten?

Was genau beobachte ich und warum stört es mich?

Warum glaube ich, etwas tun oder beeinflussen zu müssen?

Wo stoße ich auf Widerstand und an welchen Stellen kämpfe ich umsonst?

Brauchen meine Eltern meinen Rat oder mit welcher konkreten Hilfe kann ich etwas bewirken, ohne zu sehr einzugreifen oder manipulativ übergriffig zu sein?

Machen Sie sich aber auch bewusst, dass insbesondere zu Beginn einer Demenz die Konflikte und Unsicherheiten am größten sind. Weiterhin machen Sie sich bewusst, dass Ihre Eltern in ihrem Alltag versuchen, die Situationen auf ihre Art zu bewältigen. Und auch wenn Sie nicht mit allem einverstanden sind, tun Sie etwas Gutes, indem Sie in Ihrer Kommunikation ein Vorbild sind. Besuchen Sie Seminare und Vorträge, lassen Sie sich beraten, suchen Sie sich eine Gruppe von Gleichgesinnten. Je mehr Sie wissen und lernen, umso entspannter können Sie mit Ihren Eltern umgehen. Sie werden es jeder auf seine Weise spüren.

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