Demenz braucht Verstehen und Verständnis

„Wissen Sie, was so schlimm ist: Mein Mann ist ja doppelt bestraft, er hat nicht nur Alzheimer, sondern auch noch Demenz.“ Diesen Satz sagte eine Ehefrau vor einiger Zeit, um Fassung ringend und vor allem voller Zärtlichkeit und Liebe für ihren Mann. Gerade hatten sie nach mehreren Anläufen einen Pflegegrad für ihn erhalten und somit eine finanzielle Unterstützung durch die Pflegekasse für die Besuche in der Betreuungsgruppe im StattHaus. Sofort waren sie gekommen, um die „frohe Botschaft“ mitzuteilen und dass ihr Mann, der sich in der geselligen Runde wohlfühlt, nun einige Stunden mehr kommen kann.

In der Aussage stecken nicht nur eine tiefe Trauer und Tragik, sondern auch die Chance, den betroffenen Familien menschlich und verständnisvoll zu begegnen. Dabei ist es besonders wichtig, zu erkennen, um was es in dem Moment geht und welche Hilfe tatsächlich trägt – sowohl hinsichtlich „sachlicher“ Fakten als auch vor allem kommunikativ.

Denn: Alzheimer stellt eine Variante der Demenz dar und somit handelt es sich nicht um zwei verschiedene Erkrankungen. Demenz ist der Oberbegriff für verschiedene chronisch verlaufende Abbauprozesse des Gehirns.

In den letzten Jahren werden immer mehr Symptome und komplexe Geschehen unter dem Oberbegriff Demenz geführt. Zudem gibt es verschiedene Ansätze zur Klassifikation der Demenz, ihrer Unterformen und weiterer (neuro-)kognitiver Erkrankungen. Genannt seien hier die so genannte „ICD-10“ und das „DSM-5“. Bei der ICD-10 handelt es sich um die 10. Version der internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme, welche mit Codes arbeitet. Die Demenz, und damit auch die Alzheimer-Demenz, sind in den Codes F00 bis F03 hinterlegt und gehören zum Kapitel „Psychische und Verhaltensstörungen“1. In der 2013 erstellten Neuauflage des DSM-5, einem Klassifikationsinstrument im Bereich der Psychiatrie, wurde der Begriff Demenz wiederum entfernt und durch neurokognitive Störung ersetzt, wozu wiederum eine Vielzahl an erworbenen Hirnleistungsstörungen gezählt werden.

Schon hier wird sichtbar, wie komplex das Thema Demenz und deren Einordnung sind. Als Anlaufstelle mit dem Fokus auf lösungsorientierter Beratung und Betreuung informieren und klären wir auf, in Seminaren, Vorträgen und persönlich. Denn es ist für den Umgang und die Begleitung als Angehörige und Bezugsperson überaus wichtig und hilfreich, Demenz zu verstehen.

Was die Betroffenen jedoch im gleichen Maße brauchen, ist Verständnis für die oft innere und einsam getragene Not, die in solchen Momenten sichtbar wird. Die Reaktion auf die Aussage, dass ihr Mann ja doppelt bestraft sei, da er nicht nur Demenz, sondern auch Alzheimer habe, war daher intuitiv und schlicht von Mitgefühl geprägt: Meine Antwort: „Ja, da hat es Ihr Mann wirklich besonders schlimm erwischt.“

 

1 DIMDI – Deutsches Institut für medizinische Dokumentation und Information

 

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