Das Demenzrisiko senken: Warum soziale Kontakte so wichtig sind

Demenzerkrankungen wie Alzheimer sind bisher nicht heilbar. Umso wichtiger ist es, das Risiko zu reduzieren und den geistigen Abbau hinauszuzögern. Die gute Nachricht ist, dass sich unser Wissen über beeinflussbare Risikofaktoren für Demenz in den letzten Jahren enorm verbessert hat: Forschungen zeigen, dass bis zu 45 Prozent der Demenzfälle durch veränderbare Faktoren beeinflusst werden könnten. Neben Bluthochdruck, Bewegungsmangel oder Diabetes spielt soziale Isolation eine zentrale Rolle.[1]

Ein starkes soziales Netzwerk hält nicht nur die Psyche gesund, sondern auch das Gehirn fit. Untersuchungen wie die Leipziger LEILA75+-Studie zeigen, dass ältere Menschen mit wenigen sozialen Kontakten ein höheres Demenzrisiko aufweisen. Besonders gefährdet waren dabei Personen, die sich nur innerhalb ihres Haushalts austauschen. Soziale Teilhabe hingegen wirkt schützend, da sie geistige Anregung bietet und das Gehirn aktiv hält.[2] Die Effekte von sozialer Isolation auf das Gehirn lassen sich dabei sogar in bildgebenden Verfahren wie etwa der Magnetresonanztomographie (MRT) zeigen, wie eine Untersuchung der Leipziger LIFE-Studie bei Personen zwischen 50 und 82 Jahren belegen konnte. Sozial isolierte Menschen wiesen kleinere Hippocampus-Volumen und eine geringere kortikale Dicke auf – beides Marker für kognitive Beeinträchtigungen.[3]

Um das Demenzrisiko zu senken, setzen Forschende in den letzten Jahren vor allem auf Lebensstilprogramme, die mehrere Risikofaktoren gleichzeitig adressieren. Ein Beispiel ist die finnische FINGER-Studie, die zeigte, dass eine Kombination aus Bewegung, gesunder Ernährung, kognitivem Training und sozialer Aktivität die geistige Leistungsfähigkeit von Risikopatientinnen und –patienten im Alter von 60 bis 77 Jahren erhalten kann.[4]  Ähnliche Programme wie die deutsche AgeWell.de-Studie belegen, dass solche Maßnahmen nicht nur das Demenzrisiko senken, sondern auch die gesundheitliche Lebensqualität und das Ernährungsverhalten verbessern können.[5]

Allerdings erreichen solche Studien oft nur bestimmte Risikogruppen. Ein neuer Ansatz sind Brain Health Services (BHS),[6] wie sie aktuell beispielsweise in Schottland oder der Schweiz erprobt werden. Diese Präventionszentren bieten Menschen ohne erkennbare Einschränkungen der geistigen Leistungsfähigkeit eine individuelle Beratung zum persönlichen Demenzrisiko und geben praktische Empfehlungen zur Prävention. In Deutschland verfolgt etwa das Kölner Alzheimer Präventionszentrum (KAP)[7] diesen Ansatz.

Gesunde Verhaltensänderungen können herausfordernd sein, und unser Gesundheitsverhalten wird bereits früh im Leben geprägt. Prävention sollte darum idealerweise früh beginnen. So vermittelt etwa das schottische „My Amazing Brain“-Programm[8] Schulkindern spielerisch, wie ein gesunder Lebensstil das Gehirn schützt – etwa durch Bewegung, gesunde Ernährung oder das Tragen eines Fahrradhelms.

Ein gesunder Lebensstil ist nicht allein eine individuelle Entscheidung, sondern hängt stark von äußeren Bedingungen ab. Das Wohnumfeld, Möglichkeiten zur Bewegung oder soziale Treffpunkte beeinflussen unser Verhalten. Städteplanung und politische Maßnahmen können dazu beitragen, gesundheitsförderliche Strukturen zu schaffen – etwa durch mehr Grünflächen, sichere Radwege oder die Regulierung von Alkohol- und Tabakwerbung.[9]  So profitieren nicht nur Einzelne, sondern die gesamte Gesellschaft von einer besseren Gehirngesundheit bis ins hohe Alter.

[1] https://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(24)01296-0/fulltext

[2] https://journals.sagepub.com/doi/abs/10.1177/0891988718781041

[3] https://elifesciences.org/articles/83660.pdf

[4] https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0140673615604615

[5] https://www.uniklinikum-leipzig.de/einrichtungen/isap/Seiten/AgeWell.asp

[6] https://link.springer.com/content/pdf/10.1186/s13195-021-00827-2.pdf

[7] https://psychiatrie-psychotherapie.uk-koeln.de/klinik/koelner-alzheimer-praeventionszentrum/

[8] https://www.brainhealth.scot/myamazingbrain

[9] https://www.thelancet.com/journals/lanhl/article/PIIS2666-7568(21)00301-9/fulltext

 

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