Autonomie ohne Auto – der Kampf mit den Realitäten

Ein sehr häufig aufkommendes Thema in der Beratung ist das Autofahren. Damit einher geht die große Sorge und Angst, dass der betroffene Angehörige zu einem gefährlichen Risiko für sich und für andere im Straßenverkehr wird. Neugierig, ob es eine Unfallstatistik gibt, die eine faktenbasierte Aussage zur Gefährdungslage erlauben würde, habe ich recherchiert. Es gibt keine. Lediglich Untersuchungen zu Unfällen in Verbindung mit dem Alter. Demnach sind Senioren ab 65 Jahren gemessen an ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung (22,1 % im Jahr 2022) verhältnismäßig seltener in Verkehrsunfälle verwickelt. Gleichwohl sind ältere Menschen bei Verkehrsunfällen mit Personenschäden häufig die Verursacher, nämlich zu fast 70 % und bei den mindestens 75-Jährigen wurde sogar Dreiviertel der Unfallbeteiligten die Hauptschuld zugewiesen (76,6 %). Einen ähnlich hohen Wert erreichen Fahranfänger, also junge Erwachsene im Alter von 18 bis 20 Jahren.1

Aber wie verhält es sich bei einer Demenz? Dazu gibt es wie so oft keine pauschale, einheitliche oder scharf abgrenzbare Aussage. Mit einer frühen bis mittleren Demenz kann unter Umständen noch eine Weile ein Auto sicher durch den Verkehr navigiert werden. Hier kommt es auf die individuellen Fähigkeiten, Erfahrungen, die Umgebung, Krankheitssymptome, Medikamente oder weitere Einschränkungen an. Es gibt hierzu aufschlussreiche Artikel zu Fahrtauglichkeit, Haftung, ärztliche Anweisung und Schweigepflicht, also was die rechtlichen Gegebenheiten und Schritte angeht.

Die hoch emotionale Seite des Autofahrens birgt oft eine noch höhere Herausforderung, denn sie zeigt sich im Widerstand und Kampf gegen die Beschneidung, Entmündigung, den Freiheitsentzug. Dies kleinzureden, wäre die Realität zu verkennen. Es ist ein Abschied aus einer bisher gewohnten Selbstbestimmung. Gleichzeitig besteht eine reale Gefahr, wenn Angehörige mit Demenz mit sichtbaren Leistungseinschränkungen am Straßenverkehr teilnehmen. Im Falle eines Unfalls kann es strafrechtliche Konsequenzen geben. Angehörige sollten sich dessen bewusst sein, dass der oder die Betroffene die eigene Realität nicht mehr einschätzen kann. Das Wegnehmen des Schlüssels hat dann oft sehr vehemente bis aggressive Reaktionen zur Folge.

Deshalb ist es wichtig, die mit dem Auto verbundene persönliche Verbindung zu verstehen, genau hinzuschauen und parallel immer mehr andere Transportmittel zu nutzen, das Umfeld einzubeziehen und zu informieren, das Auto dem Blick und dem Zugriff des Menschen mit Demenz zu entziehen. Ein dankbares Einlenken wird es mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht geben, auch damit gilt es sich auseinanderzusetzen. Die Trauer und Wut über den Verlust, das Steuer nicht mehr selbst in der Hand zu halten, kann sehr groß sein, die Konsequenzen eines zu langen Hinauszögerns einer Entscheidung aber auch.

Für weiterführende Informationen:

https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2023/12/PD23_N064_46241.html

https://www.deutsche-alzheimer.de/fileadmin/Alz/pdf/factsheets/infoblatt19_autofahren_dalzg.pdf

https://www.adac.de/gesundheit/gesund-unterwegs/strasse/autofahren-mit-demenz/

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